Eigenhändiger Brief mit Unterschrift, 2 1/4 Seiten, in-8, B[rand]hof, 30. 8. 1846. - An den Maler Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld, wie meist ohne Anrede. "Bevor ich meinen stillen Brandhof verlasse dessen Werth ich täglich immer mehr kennen lerne schreibe ich an Sie. Ich gehe nach Gratz wo die Versammlung Deutscher Land- und Forstwirthe abgehalten wird. Es werden viele Menschen aus allen Gegenden kommen, es wird manches herzliche Wort gesprochen werden. Alle diese Versammlungen [sind] die Folge des Bedürfnisses welche alle fühlen einer Annäherung aller Menschen, deswegen lieget in eines jeden Herzen, wenn es nicht durch das nichtige Treiben der sogenannten grossen, eleganten Welt übertäubt oder verschlammt wird. Ein allgemeines Unwohlseyn ein allgemeines Sehnen nach der eigentlichen Bestimmung, ein Erwachen brüderlicher Liebe, welches gut mit Liebe geleitet grosse Wunden heilen und eine gute Zukunft herbeyführen kann; gering geachtet, vernachlässiget ein grosses Wehe zur Folge haben muß. Sie wissen was ich immer sagte, ich will endlich das meinige thun. Nun zu etwas anderem, ich habe Tschudys zweyten Band mit grossem Interesse gelesen und stelle nun eine Frage welche er allein beantworten kann. Sie wissen daß wir durch die Eingerissene Kartoffel Krankheit in diesem Jahre diese Frucht nicht allein verliehren sondern auch gar keine Saamen für das nächste Jahr haben werden. Was diese Krankheit ist brechen sich alle Landwirthe die Köpfe, nun könnte uns Tschudy sagen ob dergleichen Krankheit in dem Geburtslande der Kartoffel bestehet und was in diesem Falle die Bewohner thun, - dann auf welchem Wege man Kartoffeln aus jenem Lande nach Triest beziehen könnte um die Saamen zu erneuern. Weiter spricht er von einem Knollen Gewächse Quinua - wo erhielte man davon Saamen, um sie anzubauen. Mir lieget daran unseren Leuten zu helfen einmal ist es mir gelungen und izt läßt mich die Kartoffel im Stich, ich muß also auf verschiedene Früchte denken damit wenn eine fehlet die andere doch noch etwas giebt zur Nahrung unserer Bergbewohner. / Meine Frau grüsset Sie, Franzi ist in der Luft und entwickelt sich - in ihm reget sich schon das Gefühl der Wahrheit möge diese tiefe Wurzeln fassen. Leben Sie recht wohl. Am 20' 7br [September] bin ich am Vormittag in Wien. B[rand]hof am 30. August 1846, Johann". - Schrift durchschlagend.
Der sozial engagierte "steirische Prinz" setzte sich in seiner Wahlheimat aktiv für die Verbesserung der bäuerlichen Produktion ein und war seit der Gründung der Steiermärkischen Landwirtschaftsgesellschaft (1819) deren Präsident. "Tschudy": der bedeutende Schweizer Naturforscher, Forschungsreisende und Diplomat Johann Jakob von Tschudi (1818-1889), der 1846 das zweibändige Werk "Peru. Reiseskizzen aus den Jahren 1838-1842" veröffentlichte und ab 1848 in Lichtenegg (Niederösterreich) lebte. "Franzi": Johanns Sohn Franz (1839-1891) aus seiner morganatischen Ehe mit Anna Plochl, für den der Erzherzog 1845 den Titel "Graf von Meran" durchsetzte. Der aus Königsberg stammende Briefempfänger Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld (1788-1853), einer der Hauptvertreter der Malerei der Romantik, lebte seit 1804 in Wien. Nachdem 1818 seine Bewerbung um die Direktorenstelle der Wiener Akademie am Widerstand Metternichs gescheitert war, erhielt er eine Anstellung bei Erzherzog Johann, dessen steirisches Landgut Brandhof er künstlerisch ausgestaltete und den er auch porträtierte. Schnorr war mit Tschudi befreundet.
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