Franz Joseph, Kaiser von Österreich (1830-1916)


Eigenhändiger Brief mit Unterschrift, 2 1/2 Seiten, in-8, Schönbrunn, 27. 4. 1905, mit eigh. Kuvert. - An Katharina Schratt in Hietzing. "Theuerste Freundin, / Beiliegend erlaube ich mir das Gewöhnliche zu senden. Für Ihre lieben Zeilen vom 23t. danke ich herzlichst. Seitdem habe ich gar nichts von Ihnen gehört, ich sehne mich nach Nachricht von Ihrem Befinden und bitte Sie mir in irgend einer Art solche zukommen zu lassen. Mit dem größten Mitleide und mit Besorgniß denke ich beständig an die Qualen, welche Sie noch immer erleiden und frage mich, wann ich endlich die Freude haben werde, Sie wiederzusehen. Wann werden wieder meine Besuche in der Gloriette Gasse beginnen können? / Sonntag gab ich noch ein größeres Diner für die Familie und die dänischen kronprinzlichen Herrschaften, vorgestern habe ich in der Josephi Kapelle meine Andacht verrichtet und zum Essen, welches ich hier allein einnahm, bin ich heraus gezogen und gestern bin ich bereits um 7 Uhr früh auf der Reitbahn im kleinen Garten geritten, was zu meiner Befriedigung ausfiel und mir keine Schmerzen verursachte. Es geht mir überhaupt, unberufen, besser wenngleich mir der Rücken noch oft wehe thut. Gestern war ich um 8 Uhr schon wieder in der Stadt, wo ich bis 1/2 5 Uhr sehr beschäftigt war. Das Frühjahres Avancement gibt jetzt viel zu thun und an sonstigen schweren Sorgen fehlt es auch nicht. Heute werde ich auch um 1/2 8 Uhr in die Stadt fahren und erst um 6 Uhr hier speisen. Leider konnte ich heute wegen dem starken Regen nicht reiten. Gestern speiste Valérie hier mit mir, wobei die drei kleineren Kinder mit vielem Lärm assistirten. / Meine Bitte um Nachricht wiederholend und mit den herzlichsten Grüßen Ihr Sie innigst liebender Franz Joseph." - Das Kuvert adressiert an "Frau Katharina von Kiss-Schratt" und rot gesiegelt.

Nicht bei Bourgoing oder Hamann und bisher unveröffentlicht. - Die Freundschaft zwischen dem Kaiser und der mit Baron Miklos Kiss de Ittebe verheirateten, jedoch von ihm getrennt lebenden Burgschauspielerin Katharina Schratt (1853-1940) währte rund drei Jahrzehnte, wurde von Kaiserin Elisabeth durchaus begünstigt und fand ihren Niederschlag in vielen meist ausführlichen Briefen, die der oft einsame Monarch an seine Freundin richtete. Sie geben intime Einblicke in die Persönlichkeit Franz Josephs und sollten nach seinem Wunsch verbrannt oder zumindest streng unter Verschluss gehalten werden, doch gelangten rund 900 davon nach dem Tod von Schratts kinderlosem Sohn Anton Kiss (1970) in die Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, einige auch in den Autographenhandel. Katharina Schratt erwarb 1893 eine Villa in der Hietzinger Gloriettegasse, in unmittelbarer Nähe von Schloss Schönbrunn, und wurde dort von Franz Joseph oft besucht. Der Kaiser unterstützte die Schauspielerin, die einen aufwendigen Lebensstil pflegte, auch finanziell; die Formulierung "erlaube ich mir das Gewöhnliche zu senden" am Beginn des Briefs ist in diesem Sinn zu verstehen. Im Frühjahr 1905 war Franz Joseph mit erheblichen politischen Spannungen zwischen der österreichischen und der ungarischen Reichshälfte der Monarchie konfrontiert, hatte bei den jährlichen Beförderungen in der Armee einiges an Dienstpflichten zu erfüllen und litt unter Rückenschmerzen. Erzherzogin Marie Valerie (1868-1924) war seine jüngste Tochter.

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