Eigenhändiger Brief mit Unterschrift ("Julius Schnorr"), 2 Seiten, in-8, Wien, 3. 11. 1815. An seine Schwägerin Karoline, Ehefrau seines Bruders Ludwig Ferdinand, betr. seinen damals in der österr. Armee dienenden Bruder Eduard. "Liebe Caroline! Dießmahl werden Sie wohl mit wenigen Zeilen vorlieb nehmen müßen, nicht so wohl weil ich zu wenig Zeit habe Ihnen viel zu schreiben als weil ich nicht recht weiß was ich schreiben soll. Daß ich Sie lieb habe, daß ich wünsche Sie mögen bald wiederkommen, habe ich schon zur Genüge gesagt, und so ist's mit den meisten andern Sachen, nun aber doch Eines das Ihnen neu ist, Eduard nehmlich, den das Schiksal bis jetzt so wunderbar an Wien gefeßelt hatte, ist gestern früh abmarschirt. Nicht aber nach Frankreich oder Italien, sondern nur (vor der Hand) nach Iglau. Der eigentlich geheim gehaltene aber uns bewußte Zweck seiner Sendung ist dieser. Schon seit langer Zeit hält sich einige Tagereißen von hier ein gewißer Grasel mit einer ansehnlichen Bande bald da bald dort auf, beunruhigt zum wenigsten die Reisenden bestiehlt und mordet aber nicht selten, und wenn man Gerüchten trauen könnte, so beraubt er Kirchen und Klöster, reiche Gutsherrn und Verwalter aber nun ganz gewiß, auch ist dieser Grasel incognito schon hier und aller Orten geweßen und soll die pfiffigsten Streiche nach Art der Schinderhänse, der schwarzen Peter der bairischen Hiesel und Consorten begehen. Um nun diesen(!) schon lange beunruhigenden Unfug wo möglich Einhalt zu thun sind also 2 Compagnien Infanterie (Eduard hat eine davon unter sich) nebst Cavallerie von hier abgezogen (außer den gewißen von anderen Orten schon ausgesandten Truppen.) Einige andere Officire hatten zu diesem Zug keine Lust und stellten sich krank, Eduarden scheint es aber sehr angenehm zu seyn. Das Ding kann spaßhaft seyn aber auch leicht gefährlich, strapazierlich aber auf jeden Fall vorzüglich bey der nun eingetreten[en] rauhen und naßen Witterung. Der Himmel geleite unsern guten Eduard überall, er schütze ihn und laße seinen Plan gelingen dem Bösewicht zum Schaden den(!) beunruhigten Bürger und Bauer zum Frommen und ihm und uns zur Ehr ... ". - Etwas stockfleckig, unbedeutende kleine Randmängel.
Die drei Malerbrüder Ludwig Ferdinand (1788-1853), Eduard (1790-1819) und Julius Schnorr v. C. lebten und studierten damals alle in Wien; Julius, der künstlerisch bedeutendste von ihnen, ging 1817 nach Italien und schloss sich den Nazarenern an. Der berüchtigte Räuberhauptmann Johann Georg Grasel (Grasl), ein desertierter Soldat, wurde zwei Wochen später, am 19. 11. 1815, in einem Wirtshaus bei Mörtersdorf (nördl. von Horn) überwältigt und verhaftet; sein Prozess dauerte mehrere Jahre. Am 31. 1. 1818 wurde Grasel am Glacis vor dem Neutor in Wien gehängt. Die Legende machte aus ihm einen edlen Räuber, der nur Reiche bestahl, um den Armen helfen zu können. Die ebenfalls volkstümlichen und literarisch verewigten Räubergestalten Matthias Klostermeier ("bayrischer Hiesel") und Johann Bückler ("Schinderhannes") waren 1771 bzw. 1803 hingerichtet worden; ein Kumpan des Schinderhannes, Peter Petri d. Ä., genannt "der alte Schwarze Peter", erfand vermutlich das gleichnamige Kartenspiel.
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