Wittgenstein, Paul, Pianist (1887-1961)
Eigh. Brief mit Unterschrift, 4 1/2 Seiten, kl-4, (Wien), Neuwaldeggerstraße 38, 6. 8. 1919. - Über eine beabsichtigte Schenkung an die Stadt Wien. "Sehr geehrter Herr! Meine Schwester ist so wie ich mit allen Ihren Vorschlägen einverstanden. Was Lage & Ankauf der Gründe, Anlage der einzelnen Gärten & des Kinderspielplatzes betrifft, folgen wir gerne Ihrem auf Einsicht & Erfahrung gestützten Rathe. Nur einige Kleinigkeiten möchte ich noch nachtragen: Da meine Schwester & ich nichts aus Eigenem geben, sondern bloß Testamentsvollstrecker nach meinem verstorbenen Bruder sind, bitten wir, daß unser Namen im Stadtrathe nicht genannt werde, damit es nicht den Anschein erwecke, als wollten wir den Dank für Wohltaten eines Anderen ernten. Es würde vielleicht genügen, wenn dem Stadtrathe mitgetheilt würde: 'Die Erben nach H. Kurt Wittg[enstein]. haben sich entschlossen, den von diesem letztwillig ausgesetzten Betrag der Stadt Wien zum Ankauf von Schrebergärten zu widmen.' Sollten sich bei der Verhandlung mit den betreffenden Grundbesitzern kleinere Differenzen (etwa bis zu 10 Mille) ergeben, bin ich gerne bereit, diese aus Eigenem zu begleichen. (Dieses Letztere bleibt unter uns). Was die Vertheilung der Gründe betrifft, so ist es ja selbstverständlich, daß nur Deutsch Österreicher in Betracht kommen dürfen. Czechen, auch wenn sie hier ansäßig & zuständig sind, sind von vornherein ausgeschlossen, von eingewanderten Galizianern gar nicht zu reden. (Es versteht sich, dass ich hier nur von Leuten czechischer Nationalität rede, die sich der czechischen Sprache als Umgangssprache bedienen, nicht aber von Leuten, die Deutsche sind & bloß zufällig einen böhmischen Namen führen.) Unter sonst gleichen Umständen haben Familien mit Kindern den Vorzug vor Kinderlosen. Was unseren Einfluß auf die Vertheilung der Gründe betrifft, so wäre das vielleicht am Besten so festzulegen, daß die von uns vorgeschlagenen Anwärter eine Art Vorkaufsrecht besitzen, & uns außerdem das Recht zusteht, die Liste der übrigen Anwärter zu überprüfen & solche, die uns nicht würdig erscheinen, auszuschließen. Es ist dies bloß eine prinzipielle Frage; denn bei der allgemeinen Übereinstimmung, die, wie ich dankbar & freudig bemerkt habe, in Allem wesentlichen zwischen uns herrscht, glaube ich nicht, daß zwischen den Vertretern der Gemeinde Wien & unserem Hause in dieser Sache ernste Differenzen entstehen können. Da aber Niemand weiß, welche Parteien & welche Männer noch ans Ruder kommen können, wünsche ich auf alle Fälle uns dieses Recht zu sichern. Beiliegend sende ich das mir gestern überlassene Konzept zurück. Genehmigen Sie, verehrter Herr, den Ausdruck der vorzüglichen Hochachtung Ihres ergebenen Paul Wittgenstein."
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Bestellnummer 2001-97
€ 2400,-